Trauma-Arbeit braucht mehr als Verstehen – sie braucht Verkörperung

Immer deutlicher wird: Trauma betrifft nicht nur unser Denken, sondern prägt vor allem unseren Körper und unser Nervensystem. Wer nachhaltige Veränderungen anstrebt, muss den Körper als zentrales Erfahrungsfeld einbeziehen. Gerade Körper- und Bewegungsarbeit sind essenziell, um Selbstregulation wiederzuerlangen und das eigene Leben wieder in die Hand zu nehmen.

Trauma bleibt im Körper gespeichert

Traumatische Erfahrungen hinterlassen Spuren in unserem Nervensystem. Unser Körper erinnert sich oft an das, was unser Verstand längst vergessen oder verdrängt hat. Symptome wie chronische Anspannung, Schmerzen, Schlafstörungen oder emotionale Taubheit sind häufig Ausdruck dieser im Körper gespeicherten Erlebnisse.

Der Körper reagiert auf Bedrohung instinktiv mit Kampf, Flucht oder Erstarrung. Wird diese Energie nicht auf natürliche Weise entladen – etwa durch Bewegung oder Zittern –, bleibt sie im Körper „eingefroren“. Viele Menschen, die Trauma erlebt haben, tragen diese eingefrorene Überlebensenergie über Jahre oder Jahrzehnte mit sich, oft ohne es bewusst zu merken.

Gespräche allein reichen oft nicht

Gesprächstherapie bietet wichtige Impulse, um Erlebnisse zu verstehen und zu reflektieren. Doch Worte dringen selten bis zu den körperlichen Ebenen vor, auf denen sich Traumamuster festgesetzt haben. Ohne Einbindung des Körpers bleibt die Fähigkeit zur Selbstregulation eingeschränkt – emotionale Reaktivität, Erschöpfung oder chronische Anspannung können die Folge sein.

Körper- und Bewegungsarbeit als Zugang zu Selbstregulation

Körperarbeit schafft die Möglichkeit, tiefere Schichten der Selbstwahrnehmung zu erreichen. Methoden wie Somatic Experiencing, körperorientierte Traumatherapie oder Körperarbeit allgemein stärken die Fähigkeit, Körpersignale wahrzunehmen und angemessen darauf zu reagieren. Es gibt viele Möglichkeiten, wie mit dem Körper gearbeitet werden kann. Durch gezielte Bewegung, achtsame Berührung, Atemarbeit oder das bewusste Erleben innerer Zustände wird das autonome Nervensystem unterstützt, seine natürliche Flexibilität zurückzugewinnen. Es geht darum, neue Erfahrungen von Kontrolle, Sicherheit und Selbststeuerung im eigenen Körper zu etablieren.

Bewegung bringt Autonomie zurück

Trauma trennt uns von der natürlichen Fähigkeit, flexibel auf Stress zu reagieren. Bewegung – vor allem spontane, intuitiv entstehende Bewegung – kann diesen verlorenen Zugang wieder öffnen. Sie hilft, gebundene Energie zu entladen, den eigenen Rhythmus wiederzufinden und eine neue Beziehung zum Körper aufzubauen.

Wenn Menschen beginnen, ihre Körpersignale klarer zu spüren und ihnen vertrauensvoll zu folgen, entsteht eine tiefe Form von innerer Selbstkontrolle. Anspannung muss nicht mehr chronisch gehalten werden, Emotionen müssen nicht mehr überwältigen, sondern können reguliert und integriert werden.

Trauma-Arbeit braucht mehr als Verstehen – sie braucht Verkörperung. Ohne den Körper bleibt Selbstregulation schwer erreichbar. Bewegungs- und Körperarbeit ermöglichen, wieder ein Gefühl von Einfluss, Sicherheit und innerer Freiheit zu entwickeln.

Die Fähigkeit, den eigenen Zustand bewusst zu steuern, anstatt unbewusst von alten Mustern getrieben zu werden, ist eine der kraftvollsten Veränderungen, die Körperarbeit ermöglichen kann.

Über die Autorin:

Melanie Balle-Günthör  bringt eine tiefe Leidenschaft für systemische Veränderungsprozesse und traumasensible Begleitung mit. Als Geschäftsführerin von Traumstudio, EMDR Coach, systemische Organisationsentwicklerin und erfahrene Traumapädagogin steht sie für nachhaltige Entwicklung in sozialen Systemen. Seit über 15 Jahren begleitet sie Fachkräfte, Teams und Organisationen in Transformationsprozessen – stets mit dem Blick auf Resilienz, Selbstfürsorge und wirksame Zusammenarbeit.

Mit einem fundierten Hintergrund als Diplom-Sportwissenschaftlerin (Schwerpunkt: Freizeit und Kreativität) sowie Ausbildungen in systemisch-integrativer Beratung (DGSF), Traumapädagogik (DeGPT) und agiler Moderation (Basic Agil Master), vereint sie körperorientierte, systemische und traumasensible Perspektiven auf einzigartige Weise.

Ihre Schwerpunkte liegen in der Teamentwicklung, Leitungskräfte-Coachings, Gewaltprävention sowie Fort- und Weiterbildungen im Bereich Trauma, Deeskalation und systemischer Gesprächsführung – immer mit einem wertschätzenden, klaren und praxisnahen Ansatz.

Melanie ist überzeugt: Echte Veränderung beginnt dort, wo Menschen sich gesehen fühlen – und gemeinsam neue Wege gestalten.

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