Miniserie - Teil 2 I Systemische Ansätze in der Arbeit mit Stress von Melanie Balle-Günthör
Teil 2 – Die Schattenseite
Stress – das Wort allein reicht oft schon aus, um uns ein unangenehmes Gefühl zu geben. Wir verbinden mit Stress sofort Hektik, Überforderung und Druck und Stress gilt fast als Synonym für eine überforderte und ausgelaugte Lebensweise. Doch warum sehen wir Stress so negativ? Eigentlich ist er eine natürliche Reaktion unseres Körpers, die uns hilft, mit Herausforderungen umzugehen und sogar unser Überleben sichert.
Heutzutage erleben viele Menschen Stress über lange Zeiträume hinweg – beispielsweise durch hohen Arbeitsdruck, finanzielle Sorgen oder familiäre Verpflichtungen. Diese Art von chronischem Stress kann uns auslaugen und zu körperlichen und seelischen Beschwerden führen. Wenn Stress zu einem dauerhaften Zustand wird, beginnen wir, ihn als Belastung zu sehen, anstatt ihn als kurzzeitigen Antrieb wahrzunehmen.
Zudem geht Stress mit negativen körperlichen Veränderungen einher – Herzrasen, Anspannung, Unruhe. Diese Empfindungen sind für viele unangenehm und werden daher oft als etwas Negatives wahrgenommen. Hinzu kommt, dass unser Körper unter chronischem Stress nicht ausreichend regenerieren kann, was auf Dauer zu gesundheitlichen Problemen wie Bluthochdruck, Rückenbeschwerden oder Schlafstörungen führen kann.
Kulturelle Einflüsse und gesellschaftliche Erwartungen haben zudem dafür gesorgt, dass Stress einen „schlechten Ruf“ hat und mit Überlastung und Burnout assoziiert wird. Es herrscht die Vorstellung, dass ein stressfreies Leben erstrebenswert ist, was uns dazu verleiten kann, Stress grundsätzlich als negativ zu bewerten.
Was wir in unserer Arbeit häufig beobachten, sind fehlende Bewältigungsstrategien. Es fehlt an gesunden Strategien, um mit Stress umzugehen. Wenn wir keine Werkzeuge haben, um stressige Situationen zu meistern oder uns bewusst zu entspannen, fühlen wir uns dem Stress ausgeliefert. Diese Hilflosigkeit verstärkt die negative Wahrnehmung von Stress.
Nun stellt sich die Frage: Wie können wir sinnvoll und nachhaltig mit Stress umgehen? Ein rein symptomatischer Ansatz greift oft zu kurz, da Stress nicht isoliert auftritt, sondern in einem größeren Zusammenhang steht. Hier kommt der systemische Ansatz ins Spiel, der nicht nur die individuellen Stresssymptome betrachtet, sondern auch das Umfeld, die Beziehungen und die Wechselwirkungen, die den Stress mitbedingen. Ein systemisches Verständnis eröffnet neue Perspektiven und ermöglicht es, tiefere, oft unbewusste Stressursachen zu erkennen und gezielt anzugehen.
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